Albtraum Magendrehung - Ein Erfahrungsbericht

Ich weiß gar nicht, wie viele unzählige Male ich Shilo in den letzten 10 Jahren auf eine Magendrehung hin abgetastet habe. Die Magendrehung war als Halter einer der prädestinierten Hunderassen schon seit jeher mein persönliches Schreckgespenst, insbesondere aus dem Grund, dass das Behandlungsfenster so zeitkritisch ist. Und natürlich auch, weil selbst bei einer erfolgreichen NotOp dein Vierbeiner nicht automatisch außer Lebensgefahr sein wird. Dies hier ist mein Erfahrungsbericht, keine wissenschaftliche Abhandlung.
Am 11.01.25 begann unser Tag ganz harmlos. Das Wetter war soweit ok, die Hundestunden waren fröhlich, ich hatte wie immer nette Leute um mich. Ich hab das Mantrailing am Nachmittag ein bisschen überzogen, aber wen störts an einem netten winterlichen Samstagnachmittag schon. Gegen 16:30 Uhr war ich zuhause und bin dann nach einer kurzen Tasse Kaffee mit Shilo & Falfi eine Runde um den Block gezogen. Angeleint. Gegen 18:00 Uhr wieder zuhause. Gegen 18.15 Uhr füttere ich die Hunde. Eine Viertelstunde später als gewöhnlich, da ich normalerweise den älteren Herrn bis 18.00 Uhr gefüttert habe, um die Milz nicht zusätzlich zu belasten. Denn viele weiße Schäfis scheinen irgendwie im Alter mit Milzrupturen, meinem 2. Schreckgespenst, zu kämpfen zu haben. Wie auch immer, es war seine 3. Mahlzeit an diesem Tag. Als Shilo jung war, hat er sein Futter größtenteils aus der Hand und unterwegs bekommen, so wie die Mädchen auch. Erst im Alter, und er ist mittlerweile beinahe 12 Jahre alt, gebe ich ihm das Futter größtenteils aus dem Napf, in 3 Mahlzeiten pro Tag. Wobei ich anmerken möchte, dass er sich noch immer über Handfütterung unterwegs freut.
Während die Hunde fressen, gehe ich in mein Büro um Trainingsberichte & Co. zu erledigen. Gegen 19.05 Uhr höre ich ein erstes Fiepen aus dem Wohnbereich. Nichts ungewöhnliches eigentlich, denn seitdem Shilo älter ist, höre ich ihn schon mal. Weil ihm langweilig ist, weil er einen Ball will, weil er aufstehen und sich umbetten muss, wenn ihm ein Gelenk wehtut. Ich stehe also erst ca. 3 Minuten später auf, als ich weiteres Fiepen gefolgt von Würgegeräuschen vernehme. Ok, dem Hund ist übel, denke ich. Einmal die halbe Straße rauf und runter, möglicherweise eine Magen-Darm-Verstimmung, kommt bei uns mit 3 Hunden auch öfter mal vor. Aber nein, kein Durchfall, nichts. 19.10 Uhr: Fleischwurst vor die Nase (frei nach dem Motto: ein fressender Hund stirbt nicht), nimmt er nicht, beim Versuch zu erbrechen nur heller Schaum (und da müsste Futter drin sein, 50 Minuten nach der Aufnahme). Bauch abgetastet mit dem Ergebnis: Ein bisschen strammer als gewöhnlich, aber kein Blähbauch. Noch einmal kurz innegehalten, ob ich jetzt einfach nur in Panik verfalle. Und dann sage ich zu meinem Mann: "Shilo hat eine Magendrehung". Während ich in der Tierklinik anrufe. Es ist vielleicht 19.15 Uhr Da läuft ein Band, denn sie nehmen am Wochenende nur lebensbedrohliche Erkrankungen an und haben keine Zeit fürs Telefon. An dieser Stelle muss ich noch einmal ganz deutlich sagen, dass ich hier bestimmt 5 Minuten Zeit verloren habe für meine Diagnose. Sollte ich noch einmal das Gefühl haben, dass einer meiner Hunde eine Magendrehung haben könnte, werde ich schneller reagieren.
Mit Mann und Hund ins Auto. Hund über Rampe einladen, Rampe verstauen .... 14 Minuten Fahrt bis Duisburg Kaiserberg. Das ist ein Ablauf, den ich bereits vor Jahren geplant habe. Die nächstgelegene Tierklinik ist für den Notfall bereits in meinem Handy gespeichert und die Anfahrt ebenfalls. Denn mit einer Magendrehung hast du keine Zeit! Du hast keine Zeit für lange Fahrten & du hast keine Zeit, mehr als einen Tierarzt anzufahren. Du rufst also an, fragst bestenfalls ob der Notdienst vor Ort mit dem Thema umgehen kann, bemühst einen Live-Navi deiner Wahl um den schnellstmöglichen Weg herauszufinden und Staus zu umfahren und fährst los.
Eigentlich denkst du, dass das ja nicht sein kann. Ein Leben lang lässt du deinen Hund nach dem Fressen nicht spielen, fütterst regelmäßig nur kleine Mengen, so dass der Magen weder zu lange zu leer noch zu voll wird und da schlägt dir dieses einhöhlige Organ, quasi eine Fehlfunktion von Mutter Natur, einfach dazwischen. Nun, es ist so dass vorgenanntes dabei hilft, eine Magendrehung nicht extra zu forcieren, aber schützen kann es nicht. Ich kann mir bestenfalls vorstellen, dass Shilo an diesem Abend sich auf den Rücken gelegt hat, alle 4 Pfoten in die Höhe, und danach zur anderen Seite abgedreht hat. Irgendwann zwischen 18.20 Uhr und 19.05 Uhr. Das Bindegewebe wird im Alter im Allgemeinen schlaffer und das ist auch beim Magen so. Und schon hatten wir den Salat!
19.38 Uhr übergebe ich meinen Vierbeiner an die Tierarzthelferin am Empfang mit den Worten "wir haben eine Magendrehung, letzte Fütterung 18.15 Uhr. Shilo ist ein MDR1-Gen +/- Patient". Wir sind sofort dran. 19.50 Uhr ruft uns die behandelnde Tierärztin in einen Raum "Ja, das ist eine Magendrehung." Es ist komisch, wenn jemand bestätigt, was du befürchtet hast. Ich meine, es blieb ja kaum etwas anderes übrig, aber da rutscht einem schon das Herz in die Hose. Wie auch immer "gemessen an Alter und Zustand stehen die Chancen nicht gut" dass Shilo die OP überlebt. Im OP-Bericht lese ich später, dass die Chancen unter 50% standen. Und das obwohl wir recht schnell da waren. Wir bitten sie trotzdem zu operieren. Ob Shilo wiederbelebt werden soll, fragt sie mich. Ich überlege kurz und sage nein. Ich denke das ist eine ganz persönliche Entscheidung. Ich kenne meinen Hund trotz aller Widrigkeiten als immer fröhlich, lebensbejahend und kämpferisch und denke, wenn er nicht mehr will, dann soll er auch gehen dürfen. Und ich glaube, ich würde das wieder so machen.
Gegen 20.00 Uhr fahren wir nach hause, denn wir können jetzt nichts mehr tun. Gegen 23:30 Uhr ruft die Klinik an. Shilo hat die OP soweit überstanden. Der Magen hatte noch keine Nekrose, die Milz konnte erhalten bleiben. Der Magen wurde nach dem Zurückdrehen linea alba festgenäht (ein Festnähen an der Bauchwand schließt eine erneute Magendrehung quasi aus). Muss über Nacht aber stationär bleiben. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, rufen sie auch nachts an. Sonntag gegen 13.30 Uhr hat Shilo erneute Bluttests und EKG hinter sich. Sein Zustand ist soweit stabil, aber er ist sehr schwach. Ich könnte ihn abholen, aber empfehlen würden sie es mir nicht. Ich lasse ihn also da. Auch das würde ich wieder so machen. Nach einer solchen OP werden im Körper Toxine freigesetzt, möglicherweise treten Blutungen auf, Herzrhytmusstörungen können ebenso eintreten. Je länger der Hund den verdrehten Magen hat, desto schlechter die Prognose. Blutgefäße sterben ab, weitere Organe werden betroffen, die Aufgasung drückt die Aorta an die Wirbelsäule, das Herz kann nicht richtig arbeiten und zurück bleiben Herzrhytmusstörungen. Montag gegen 15:00 Uhr darf ich Shilo guten Gewissens und mit Freigabe der Tierklinik abholen. Er ist ziemlich agil. Ziemlich langer Bauchschnitt, Blutbild ordentlich durcheinander (anämisch), ab jetzt muss er alle 4 Stunden gefüttert werden (auch nachts) und bekommt jede Menge Medikamente, die ich auch im Stundenrhytmus time. Die Hundemädchen bleiben zuhause, bis Shilo von allen Medikamenten wieder befreit ist, um keine weiteren Erreger mitzubringen, die uns möglicherweise zurückwerfen könnten. Das würde ich wieder so machen, wenn ich einen Mehrhundehaushalt habe & einen Garten. Für die nächsten 14 Tage haben wir alle 2-3 Tage Wundbeschau bei unserem TA gemacht. Auch das würde ich wieder so machen. Wir haben dabei das Blutbild gecheckt, die Lungen & das Herz abgehört, die Wundheilung beurteilt. Generell habe ich auch bis zu 3x täglich rektal Fieber gemessen. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Fieber und sind immer unter 39 Grad gewesen. Keine Herzprobleme. Dafür allerdings 3 Tage lang post OP Blutungen, die sich in einem kohlrabenschwarzen Kot niedergeschlagen haben. Der untere Teil seiner Lungenflügel waren zeitweise nicht gut belüftet, was sich in Kurzatmigkeit bei den Spaziergängen zeigte. Trotzdem haben wir sie gemacht, wenn auch kürzer und ich würde es wieder so machen, denn für Shilo bedeuten sie Lebensqualität. Und du brauchst auch einfach etwas, was dir gut tut, um Erkrankungen durchzustehen. Das Blutbild ist auch jetzt noch nicht wieder ok, aber auch bereits verbessert. Und ja, die Bauchwunde hatte sich entzündet, so dass wir eine Antibiotika-Verlängerung bekamen. Jetzt sind aber alle Medikamente durch & wir können uns der Darmsanierung widmen.
Shilo ist ein durchweg kooperativer Hund. In Verbindung mit mir sowieso, aber auch in der Tierklinik, wie mir eine Pflegerin bei einem ihrer Anrufe schilderte. Nimmt freiwillig alle Medikamente, lässt sich problemlos untersuchen und bleibt auch ruhig. Er hat mir 2 x täglich seine Bauchwunde gezeigt, damit ich diese säubern und auch eincremen konnte. Übt die Einnahme von Dingen bestenfalls für den Notfall indem ihr bspw. ein kleines Trockenfutterstück in eine halbe Scheibe Putenbrustaufschnitt einschlagt und sie mit dem Kommando von Touch oder ähnlichem als Belohnung verfüttert. Und schaut ebenso, dass sich euer Vierbeiner jederzeit an allen Körperteilen anfassen lässt. So dass ihr, wenn ihr es brauchen solltet, nicht so ganz im Regen steht. Medical Training eben.
Wir sind jetzt erst mal über den Berg. Seit heute füttere ich Shilo nur noch alle 6 Stunden und somit bekomme ich an Tag 16 PostOP auch wieder etwas mehr Schlaf. Dem vierbeinigen Herrn hier geht es den Umständen entsprechend gut. Euch wünsche ich, dass Eurem Vierbeiner diese Erfahrung erspart bleibt & falls nicht, dass ihr sehr schnell reagieren könnt und ihr wie wir Glück im Unglück habt!
Liebe Tina, Du bist einfach wunderbar. 🤗 Besser hätte keiner Shilo mit ganz viel Liebe und medizinisch versorgen und begleiten können.
Ich musste den Bericht erstmal mehrfach lesen , um alles zu verstehen. Ich danke Dir sehr für genaue Aufzeichnung, weil ich so auch besser erkennen könnte, wenn Jack oder auch ein anderer Hund in unserer Nachbarschaft ähnliche Symptome hat. Hoffe aber, dass ich es nie !!!!erleben muss.
Du hast uns bei unserem Training auch schon beigebracht, dass wir unseren jungen Hund erst nach dem Training füttern sollten, weil er ja auch zwischendurch spielen und rennen durfte🐕😉
Wir Drei drücken Dir und Shilo ganz feste die Daumen für eine schöne gemeinsame Zeit ohne Krankheiten❤️✊🐾
Wir sind so froh, dass Shilo es geschafft hat ❤️
Ich ziehe den rhetorischen Hut vor Dir, liebe Tina, wie Du die fürchterliche Situation erfasst und gemeistert hast! Damit hast Du sein Leben gerettet. Danke für Deinen ganz persönlichen Bericht 😘
Gonzo
Gänsehaut pur. Danke für den Erfahrungsbericht, war war ganz sicher der schlimmste Alptraum. Denke du hast super reagiert und es ist alles überstanden. Ich habe mir sofort eine Klinikadresse im Handy hinterlegt.