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"Arbeiten Sie mit positiver Verstärkung?"


Neulich am Telefon. Ein Interessent ruft mich an, auf der Suche nach einer neuen Hundeschule, da sich seine derzeitige Trainerin in freudiger Erwartung befindet und zudem das Problem des Leinenpöbelns seines Vierbeiners mit ihm zusammen noch nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte. Außerdem hätte er von mir Gutes gehört und meine Internetseite gefalle ihm. Das freut mich zugegebenerweise. Wir unterhalten uns ein wenig über ihn und die Beziehung zu seinem Hund, und da ist sie auch schon, diese Frage: "Arbeiten Sie mit positiver Verstärkung?"


"Ja, schon." ist meine zunächst recht vage Antwort. "Ausschließlich?" fragt er auf der anderen Seite weiter nach. "Nein!" antworte ich, gefolgt von seiner nächsten Frage: "Warum denn nicht? Wir haben das bis jetzt mit Zeigen und Benennen geübt..."


Tja, die Frage nach dem warum ist mehr als legitim. Und auch einfach zu beantworten. Es geht halt nicht alles über positive Verstärkung. Es passt einfach nicht jede Methode auf jede Herausforderung zu jedem individuellen Mensch-Hund-Team. Zumindest nicht in meiner Welt.


"Man spricht von positiver Verstärkung, wenn auf ein Verhalten ein Ereignis in der Umwelt des Organismus folgt und die Auftretenswahrscheinlichkeit dieses Verhaltens daraufhin ansteigt. Das Ereignis in der Umwelt des Organismus wird als positiver Verstärker bezeichnet. Was ein positiver Verstärker ist, kann nur an den Folgen, die er für die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens hat, erkannt werden." (Quelle: Auszug aus wikipedia.de)


Im Umgang mit dem Hund unterscheide ich klar zwei Bereiche. Der eine Bereich ist der des Vokabellernens, der operanten oder instrumentellen Konditionierung. Der jeweilige Hund lernt eine Vokabel, die weitläufig das jeweilige Kommando genannt wird, wir kreieren ein Bild dazu, das der Hund quasi speichert und verstärken die Ausführung positiv, z. B. mit dem Clicker, mit Futter- oder Spielbelohnungen oder auch mit Alltagsbelohnungen, damit unser Hund das sich im Aufbau befindliche Bild mit meiner Vokabel immer wieder freudig zeigt. Ebenso verstärke ich positiv an sich gezeigtes Verhalten, wie zum Beispiel die freiwillige Orientierung besonders radiusstarker Hunde im Freilauf. Und auch noch ein paar andere Dinge.


Den zweiten Bereich umreiße ich grob als den sogenannten Hausstand. Dazu gehört das Zusammenleben mit unserem Vierbeiner und auch evtl. Fehlverhalten, das sich möglicherweise hundeseitig über die Jahre des Zusammenlebens mit seinem Menschen entwickelt hat. Zum Beispiel das Verhalten an der Tür, der Umgang mit Besuch, das Verhalten an der Leine und ja, da bin ich der Meinung, dass es häufig eben nicht ausreichend ist, unerwünschtes Verhalten zu ignorieren und abzuwarten, bis sich positives Verhalten zeigt, dass wir dann verstärken können. Denn dann hätte mein Besuch evtl. einfach nur noch 1 Arm und eine zerbissene Hose, wenn er Sonntags zum Kaffee bei Waldis Menschen zuhause vorbeischaut. Manchmal befinden wir uns eben im Bereich der Korrektur, die selbstverständlich kontextspezifisch angemessen sein muss. Es gibt Hunde, die sind permanent überfordert, weil sie zu viel der Verantwortung (unwissentlich) übertragen bekamen und diese Hunde müssen der Verantwortung entbunden werden. Ebenso gibt es Vierbeiner, die einfach generell keinerlei Grenzen aufgezeigt bekamen und sich selbst in ihren Handlungen schon positiv bestärkt haben, dass auch hier erst einmal der Hausstand und das Thema "wer führt wen?" zur Debatte steht, bevor ich meine allseits beliebte Fleischwurst aus der Tasche zücke.


Im Fazit bleibt zu sagen: Zunächst schauen wir uns die Beziehung zwischen Hund und Halter an und beleuchten das jeweilige Thema. Im Anschluss besprechen wir die möglichen Vorgehensweisen und deren Erfolgschancen und danach einigen wir uns auf eine Methode, mit der auch der jeweilige Halter konform geht. Da wird nichts über's Knie gebrochen - aber zurück zum Telefonat.


Der Interessent und ich vereinbaren ein Kennenlerngespräch. Kurz vor Schluss gibt er mir noch eine abschließende Info: "Bitte erschrecken Sie sich nicht, wenn Waldi an der Tür ist. Er ist eigentlich ein ganz lieber Schäferhund und beißt sie auch nicht. Aber er kann ganz fürchterlich bellen mit gefletschten Zähnen, und er knurrt dabei so dunkel und grollig, da bekommen manche Besucher schon Angst!"


Oha - und so denke ich innerlich: Wem gehört denn eigentlich der Besuch? ;-)


Habt einen schönen November,

Tina

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